KI in der Praxis

KI in der Buchhaltung: schneller, sicherer, besser

Buchhaltung gilt als Paradebeispiel für Automatisierung. Doch aktuelle Forschung zeigt: Generative KI ersetzt Fachkräfte nicht – sie macht sie produktiver. Teams, die KI einsetzen, unterstützen mehr Mandate, schließen schneller ab und liefern detailliertere Reports. Gleichzeitig stehen 2025 mit der E-Rechnung und neuen Pflichten (Art. 4 EU AI Act) starke Treiber für den Einsatz strukturierter, KI-fähiger Prozesse vor der Tür. Was heißt das für den Mittelstand? Dieser Beitrag zeigt konkrete Nutzen, praxistaugliche Anwendungsfelder – und wie Sie mit ChatGPT vom ersten Tag an Mehrwert schaffen.

Verfasst von
Arne Leppelsack

September 2025

KI-Fortschritt im Rechnungswesen

Routine killt Kapazität. KI nimmt genau diese Last: Transaktionsklassifikation, Abgleich, Anomalie-Checks und Dokumentenworkflow laufen automatisiert. Die Folge: Mehr Zeit für Kommunikation, Qualitätssicherung und Beratung. Studien zeigen, dass Teams mit generativer KI Monatsabschlüsse im Schnitt 7,5 Tage früher finalisieren und rund 8,5 % Zeit aus Backoffice-Prozessen in wertschöpfende Tätigkeiten verlagern. Gleichzeitig steigt die Granularität der Buchungen um ca. 12 % – Berichte werden aussagekräftiger und prüfbarer.

Wichtig: Erfahrung verstärkt den Effekt. Senior-Profile nutzen KI als „Co-Pilot“, greifen bei niedrigen Konfidenzen ein und sichern das Ergebnis ab. Genau hier entsteht das neue Berufsbild: Accounting mit Systemkompetenz und Urteilsfähigkeit.

Die größten Hebel in der Finanzbuchhaltung

1) Von Beleg bis Buchung – End-to-End automatisieren

  • Automatische Buchung von Standardfällen (Reisekosten, Abos, wiederkehrende Lieferanten).
  • Digitale Rechnungsverarbeitung: Extraktion, Validierung (z. B. IBAN-Prüfung), Freigabe-Workflows, Mahnwesen.
  • Dokumentenklassifikation & Archiv: Rechnung, Gutschrift, Mahnung – korrekt zugeordnet und auffindbar.

2) Qualität & Compliance by Design

  • Plausibilitätschecks in Echtzeit (Ausreißer, doppelte Belege, Sperrlisten).
  • Automatisierte Compliance-Prüfungen bei neuen Lieferant:innen oder Kund:innen (Workflow-Checklisten, Nachweisführung).

3) Reporting, das steuert – nicht nur dokumentiert

  • Feinere Kontierungslogik (z. B. Payroll splitten in Boni, Benefits, Bewirtung).
  • Forecasting & Szenarien mit KI-gestützten Modellen auf Standarddaten.

Praxis mit ChatGPT: 3 sofort nutzbare Prompts

Hinweis: Bitte niemals sensible Daten ohne Vorgaben teilen. Nutzen Sie Pseudodaten, Rollen-Prompts und interne KI-Richtlinien (z. B. Tabu-Inhalte, Datenschutz, Freigabeprozesse).

  1. Belegklassifikation (rollenspezifisch)
    „Sie sind Senior-Buchhalter:in. Ordnen Sie die folgenden 20 Buchungssätze SKR-kontenbasiert zu. Geben Sie je Posten: Konto, Gegenkonto, MwSt-Satz, Buchungstext, Begründung in einem Satz. Markieren Sie Fälle mit niedriger Konfidenz.“
  2. Anomalie-Hinweise in Klartext (Kommunikation)
    „Formulieren Sie 3 kurze Hinweise für die Geschäftsführung zu auffälligen Kostenentwicklungen (Top 3 Abweichungen > 15 %). Ton: sachlich, lösungsorientiert. Fügen Sie eine Hypothese und Rückfrage je Punkt an.“
  3. Mandantenmail (klar & rechtssicher)
    „Entwurf E-Mail an Mandant X: fehlende Belege (Liste), benötigte Angaben, Frist, Upload-Link-Hinweis, DSGVO-Hinweis in einem Satz. Ton: wertschätzend, verbindlich.“

E-Rechnung 2025: Rückenwind für KI

Um KI nutzbar zu machen, brauchen Sie strukturierte Daten. Genau das liefert die E-Rechnung: standardisierte Formate, eindeutige Felder, maschinenlesbar – perfekt für automatisierte Workflows und Klassifikation. Für Unternehmen heißt das: weniger Medienbrüche, mehr Validierungen „by default“ und eine solide Basis für Anomalie-Erkennung, Splits und Reporting. Wer zögert, riskiert Prozesse, die 2025 technisch und regulatorisch nicht mehr anschlussfähigsind.

Governance: Pflichtschulung & KI-Richtlinie pragmatisch umsetzen

Der EU AI Act (Art. 4) verpflichtet Anbieter und Betreiber von KI-Systemen sicherzustellen, dass Mitarbeitende ausreichende KI-Kompetenz besitzen – abhängig von Technikkenntnis, Erfahrung und Nutzungskontext. Das betrifft alle Unternehmen, die KI beruflich einsetzen.

So setzen Mittelständler das effizient um:

  1. KI-Pflichtschulung für relevante Rollen (Buchhaltung, Controlling, IT, Führung) – ideal als E-Learning mit Kompetenz-Check und Zertifikat.
  2. KI-Richtlinie: Geltungsbereich, Rollen, Genehmigungen, Datenschutz/Urheberrecht, Umgang mit KI-Outputs, Konfidenz-Schwellen, KI-Register mit System- und Use-Case-Liste.
  3. Systemauswahl: Longlist/Shortlist, Bewertung, Pilot-KPIs, Integration in Richtlinie und Schulung.

Case: Vom Monatsschluss zum Monatsgespräch (kurz & praxisnah)

Ausgangslage: Ein mittelständischer Dienstleister schließt regelmäßig erst in Woche 3 nach Monatsende ab. Das Finance-Team arbeitet stark operativ: Belege hinterherlaufen, Rückfragen klären, Spitzenzeiten ausgleichen. Reporting ist korrekt, aber grob – Diskussionen drehen sich um Nachforderungen und Korrekturen.

Vorgehen:

  • ChatGPT-gestützte Vorarbeit: standardisierte Prompts für Belegprüfung und Kontierungsvorschläge; Low-Confidence-Fälle markieren und im 4-Augen-Prinzip klären.
  • E-Rechnungs-Anbindung: strukturierte Eingänge, Validierung und Auto-Routing an Freigeber.
  • Policy & Schulung: kurze Pflichtschulung (Art. 4), kompakte KI-Richtlinie mit KI-Register; klare Regeln zu Daten, Freigaben, Dokumentation.

Ergebnis: Der Monatsschluss rückt nach vorn, Rückfragen sinken spürbar, das Reporting wird feiner. Vor allem aber ändert sich der Fokus: Vom Abarbeiten hin zum Monatsgespräch mit Management und Fachbereichen – über Ursachen, Maßnahmen und nächste Schritte. Zahlen werden zum Startpunkt, nicht zum Endprodukt.

So starten Sie in 30 Tagen

  • Woche 1: Quick-Scan Ihrer Buchhaltungsprozesse, Datenlage (E-Rechnung), Tool-Stack.
  • Woche 2: Pilot-Prompts in ChatGPT für Klassifikation/Kommunikation; Low-Confidence-Regeln.
  • Woche 3: Pflichtschulung (Art. 4) & Mini-Richtlinie inkl. KI-Register (v1).
  • Woche 4: KPI-Review (Tempo, Fehler, Rückfragen), To-be-Prozess, Entscheidung für weitere Systemintegration.

FAQ

Müssen wir sofort alles automatisieren?
Nein. Starten Sie mit 2–3 klaren Use-Cases (Klassifikation, Rechnungsprüfung, Mandantenkommunikation). Iterieren Sie entlang messbarer KPIs (Zeit, Fehlerquote, Rückfragen).

Wie setze ich ChatGPT sicher ein?
Mit Datenminimierung, Pseudonymisierung, klaren Prompt-Vorlagen und einem 4-Augen-Prinzip bei niedriger KI-Konfidenz. Regeln gehören in die KI-Richtlinie und ins KI-Register.

Was verlangt der EU AI Act konkret von uns?
Art. 4 fordert den Nachweis ausreichender KI-Kompetenz bei Mitarbeitenden, die KI nutzen. Eine strukturierte Schulung mit Zertifikat erfüllt diese Anforderung praxisnah.

Reicht eine einmalige Schulung?
Empfehlenswert sind Auffrischungen und rollenspezifische Vertiefungen, z. B. „ChatGPT im Monatsabschluss“. So bleibt das Team auf Kurs – fachlich und regulatorisch.

Brauchen wir eine KI-Richtlinie, wenn wir nur ChatGPT nutzen?
Ja. Sobald KI beruflich eingesetzt wird, sollten Regeln, Zuständigkeiten und Dokumentation verbindlich geregelt sein – inkl. Freigaben und Konfidenz-Schwellen.

Quellen & Links

  • Art. 4 EU AI Act – Schulungspflicht & Begriffsdefinitionen (Handout, BridgeAI) – kompakter Überblick für Unternehmen.
  • Stanford – AI Is Reshaping Accounting Jobs by Doing the “Boring” Stuff von Seb Murray
  • MIT Sloan School – How generative AI can make accountants more productive von Zach Church
  • Haufe Akademie – KI und Digitalisierung im Rechnungswesen von Dr. Dominique Hoffmann

Ihre Buchhaltung – KI-ready in 30 Tagen

Mit Pflichtschulung nach Art. 4, KI-Richtlinie & praxistauglichen ChatGPT-Prompts bringen wir Ihr Rechnungswesen schnell auf Kurs – sicher, effizient, messbar.